home

blog

Nullzins

Konventionelle Geldpolitik an ihren Grenzen


Das Niedrig-, Null- und sogar Negativzinsphänomen hat uns seit über einem Jahrzehnt fest im Griff. Als Reaktion auf die Finanzkrise schöpften ab 2008 wichtige Notenbanken rasch ihre Spielräume für Leitzinssenkungen fast völlig aus – die EZB allerdings verzögert. Im Euro-Raum entwickelte sich währenddessen die Finanzkrise weiter zu einer Staatsverschuldungs- und Währungskrise, die das Potential hatte, das Euro-System zu sprengen. In einer an den Märkten spekulativ zugespitzten Situation verkündete EZB-Chef Draghi 2012, dass die europäische Notenbank alles tun werde, um innerhalb ihres Mandats den Euro zu erhalten. Diese „What ever it takes“-Rede hatte eine einschneidende und nachhaltige Signalfunktion. Die zuvor nach oben geschossenen Anleiherenditen einer Reihe schwer krisengeplagter Staaten gingen in der Folgezeit zurück. Die Situation im Eurosystem entspannte sich. Als die EZB Draghis kräftigen Worten ab 2015 kaum minder kräftige Taten in Gestalt großvolumiger Ankäufe von Staatsanleihen folgen ließ, drückte sie damit die Zinsen auch im langfristigen Bereich weiter nach unten. Die angeschlagenen Krisenstaaten konnten sich in diesem Umfeld sehr viel billiger verschulden. Das befeuerte wiederum die bis heute anhaltende Diskussion um versteckte Staatsfinanzierung durch die EZB. 

Was in diesem Fall ein Vorteil für die Schuldner ist, ist für die Sparer ein Nachteil. Für Festgeldkonten etwa bedeutet ein Null-Zins selbst bei nur leichter Inflation einen realen Wertverlust. Den können Sparer allerdings verhindern, indem sie vermehrt in höher rentierende Anlagen, etwa in Aktien, umschichten. Das ist geldpolitisch durchaus erwünscht. Als Reaktion auf die Anleihenkäufe der EZB und die tiefen Zinsen nahm denn auch insgesamt die Nachfrage in den riskanteren und ertragreicheren Segmenten des Anlageuniversums zu. 

Der eigentliche Zweck der geldpolitischen Interventionen sollte jedoch sein, die Aktivität der Wirtschaft im Euroraum so zu stimulieren, dass sie mit der Zielinflationsrate der EZB von knapp unter 2 Prozent vereinbar ist. Die von der EZB dem Finanzsystem reichlich zugeführte Liquidität trieb zwar die Preise an den Vermögensmärkten nach oben. In der Realwirtschaft kam davon aber weniger an als erhofft. Jedenfalls schaffte es die EZB auch mit ihrem unkonventionellen Instrumentenkasten bislang nicht, die angestrebte Inflation dauerhaft zu stabilisieren. Vielmehr bleib sie meist deutlich darunter. Das erweckt ungute Erinnerungen an Japan, wo die Notenbank bereits seit 2000 an diesem Ziel routiniert scheitert. Und es spricht dafür, dass uns im Euroraum das Niedrig-, Null- und sogar Negativzinsphänomen noch eine Weile begleiten dürfte.

zurück


Interesse an einem unverbindlichen Gespräch? Wir freuen uns von Ihnen zu hören.



»Kundenmenschen mit Leib und Seele«

Christoph Lang, Inhaber das formt – Wir entwickeln Marken.

Top